Self Care - Wellbeing - Mental Health - Mindfullness
Self Care - Wellbeing - Mental Health - Mindfullness im Kontext der systemischen Beratung
Es geht um Selbstfürsorge, es geht um den Kontakt zu meinem Inneren, es geht um meine Bedürfnisse und um die Motive, die mich bewegen, es geht um Frieden mit mir, es geht um mich.
Ende letztes Jahr habe ich mich entschieden eine Ausbildung zur systemischen Beraterin zu machen. In der Annahme, dass dies der richtige Schritt sei, um in meinem Berufskontext menschliches Handeln bessern verstehen zu können. Im März 2020 startete die Ausbildung im Onlineformat. Seit dem habe ich viel gelernt und mich beschäftigen regelmäßig aufs Neue interessante Themen. Heute weiß ich, dass diese Ausbildung nicht nur für meinen Beruf, sondern auch für meine Persönlichkeitsentwicklung einen riesigen Gewinn darstellt.
Ich möchte heute ein bisschen von meinen Erfahrungen und Inspirationen, die ich während der letzten beiden Ausbildungswochenenden und Peergroup- Arbeit gesammelt habe, erzählen. Es ist ein Mix aus Selbsterfahrung, Wissenschaft, Motivation und (aus meiner Sicht) Interessantes. Es sind alles nur kleine Einblicke, die man noch viel weiter ausführen kann. Der Beitrag ist schon sehr lang geworden, doch es lohnt sich in vielen Themen vertiefend einzusteigen und eigene Erfahrungen zu sammeln.

Der Zugang zu mir Selbst gibt mir die Kompetenz authentisch aufzutreten, mir treu zu bleiben und professionell beraten zu können. Dabei hilft mir mein Bewusstsein für meine Bedürfnisse, ein reflektierender Blick auf mich und meine Erfahrungen, auf meine Kindheit. Dazu gehören auch die Lebenssituation voller Anerkennung und Wertschätzung. Ich bin in der Lage meinen Selbstwert zu bestimmen, mich um mich zu kümmern. Dies erfolgt auf der Grundlage einer guten Portion Selbstvertrauen, welches ich in den letzten Jahren gewonnen habe und durch Verantwortungsbewusstsein für mein Leben. Ich fühle mich stark und resilient. Gleichzeitig fasziniert mich das Wort Selbstfürsorge, weil neben dem Selbst auch Fürsorge beinhaltet ist. Und die bezieht sich eben nicht nur auf das eigene Selbst, sondern auch auf andere Menschen.

Die systemische Beratung verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, in dem der*die Klient*in in Wechselwirkung mit der Umwelt d.h. verschiedenen Systemen steht. Systeme sind z. B. die Familie, Freunde und Arbeit. Die Veränderung eines Systems bringt aufgrund der Interaktion miteinander, Veränderungen in anderen Systemen mit sich. Dies nennt man Zirkularität.
Der*die Klient*in ist Experte*in für seine*ihre Fähigkeiten und Stärken, die er*sie im Laufe seines Lebens erworben hat. Bei der systemischen Beratung wird der Zugang zu diesen Fähigkeiten fokussiert. Ressourcen und Eigenverantwortung werden für Lösungsorientierung aktiviert und damit ein Zugang zu den Bedürfnissen und Motiven des*der Klienten*in geschaffen. Der*die Berater*in selbst wird damit zu einem System für den*die Klienten*in, weil er*sie Teil eines Wechselwirkungsgefüge wird.
In der Beratung ist es spannend festzustellen, dass die Dimension meines eigenen Selbstwertes einen Einfluss auf die Beratungstätigkeit hat. Und es ist bewegend festzustellen, dass ich während der Beratung den Grad des Selbstwertes meines*meiner Klienten*in erhöhen kann. Neben der Selbstfürsorge, und der Kenntnisse sowie den Zugang zu den eigenen Bedürfnissen, führt die Überwindung von Ängsten zu Kongruenz. Damit ist gemeint, dass ich als Beraterin echt bin und dies bei meinem*r Klienten*in ankommt. Ich verurteile und bewerte meine Klienten nicht, sondern achte sie und schenke ihnen volle Zuwendung und begegne meinen Klienten auf Augenhöhe.
Einer der Pioniere des systemischen Ansatzes ist Virginia Satir. Ich bin fasziniert von ihrer Biografie und die Stärke, die sie bewies, indem sie bereits in den 50er anfing ihre Klienten nicht isoliert im Einzelsetting zu betrachten. Sie spricht von folgenden Schlüsselfaktoren bei der Interaktion von Systemen, welche verändert werden können, um zur Lösung zu kommen: Selbstwert, Kommunikation, Regeln, Verbindung zur Gesellschaft.
Im Kontext der systemischen Beratung und Selfcare möchte ich auf verschiedene Anwendungen / Instrumente /Modelle / Theorien im Kontext der Selbstfürsorge eingehen.
Ich für mich persönlich habe viele Instrumente der Selbstfürsorge gefunden. Ich möchte hier mal eine Reihe an unterschiedlichen, teilweise ganz einfachen Möglichkeiten, auflisten. Je nach Kenntnisstand und Erfahrung kann eine professionelle Anleitung unterstützen.
Meditieren, bewusstes Atmen, Ruhe, Bewegung, Dankbarkeit, Frische Luft, Musik, Natur, Essen, Sonne, Laufen, Körperreisen.
Frische Luft ist mein Geheimrezept in dieser langanhaltenden Homeoffice-Phase. Schon 5 Minuten frische Luft steigern meine Konzentrationsfähigkeit. Dieser Tapetenwechsel, als kurze Pause vom Bildschirm und Abwechslung von der Informationsflut, verbunden mit Sauerstoff und Durchblutung, laden meinen Akku in unglaublicher Geschwindigkeit wieder auf. Am meisten freu ich mich, wenn ich gleichzeitig ein wenig Vitamin D tanken kann.
"Öffne ab und an das Fenster deiner Seele, damit die Sorgen hinaus können und die Sonne herein."
Spannend finde ich die Erfahrung, dass Vorstellungskraft eine große Wirkung haben kann und sogar die Willenskraft besiegen kann. Einfach mal die Augen zu schließen und sich einen schönen Ort vorzustellen... Insbesondere im Anblick der längeren Reisebeschränkungen eine empfehlenswerte Praktik, die in dem Alltag sehr simpel zu integrieren ist.

Um selbst einen Zugang zu den eigenen Bedürfnissen zu bekommen, habe ich am letzten Ausbildungswochenende eine hilfreiche Methode kennengelernt. Zunächst geht es darum einzelne Kontexte, die man betrachten möchte zu sammeln. Dazu gehören z. B. Arbeit, Freunde, Partner, Netzwerke, Kinder. Danach soll man die Bedürfnisse, die man in den einzelnen Kontexten hat, notieren. Allein diese Aufgaben hat mich zum Nachdenken über meine wirklichen Bedürfnisse angeregt. Auf dieser Basis erfolgt dann eine Skalenbewertung, die bewertet, wie gut diese Bedürfnisse erfüllt bzw. nicht erfüllt sind (z. B. 1 wenig erfüllt, 10 erfüllt). Mich hat die Frage nach meinen Bedürfnissen in Freundschaften sehr beschäftigt. Diese Reflexionsübung kann noch ein Schritt weiter gehen, in dem die Betrachtung im Hinblick auf die Bedürfnisse der Herkunftsfamilie erweitert wird. Welche Bedürfnisse wurden dort erfüllt oder nicht erfüllt. Ich habe Parallelen gefunden, die ich vorher nicht kannte.
Ich habe gelernt und erfahren, dass eigenes Verhalten gespiegelt wird, dass die Perspektive auf Positives sehr wichtig ist und Anerkennung sowie Wertschätzung wohlwollend sind und sich gut anfühlen. Aus meiner Sicht ist Wertschätzung ein großer Hebel in verschiedenen Settings. Dabei geht es nicht nur darum Wertschätzung zu bekommen, sondern auch Wertschätzung zu geben. Frei nach dem Motto, Wertschöpfung durch Wertschätzung. Darum versuche ich dieses Motto in meinem Leben zu integrieren, sodass es irgendwann aus voller Überzeugung selbstverständlich ist.

Ein absolutes Highlight ist für mich das Bekenntnis zur Selbstachtung von Virginie Satir. Wir haben uns dies in der Ausbildung gegenseitig vorgelesen und es war ein Gefühl der puren Selbstliebe und Akzeptanz. Probiert es selbst aus. Liest es euch laut vor, liest es Jemanden vor oder verschenkt diese ausgedruckten Zeilen. Es tut einfach nur gut: https://brennstoff.com/artikel/mein-bekenntnis-zur-selbstachtung/
Ein weiteres Instrument, welches insbesondere im Interaktion mit dem Klienten, sowie in der Kommunikation mit unseren Mitmenschen eine lohnenswerte Erfahrung ist, ist das Refraiming. Refraiming bedeutet Worte einen neuen Rahmen zu geben und dadurch einen Sinneswandel in Bezug auf die flexiblen Umgangsweise mit Herausforderungen durchzuführen. Die bisherige Sicht wird verstört und neue Worte schaffen neue Gefühle. Der Fussballtrainer Otto Rehhagel hat z. B in einem Interview auf die Frage, ob es ihm nicht auf die Nerven ginge, so „divenhafte“ und komplizierte Spielerpersönlichkeiten in seinem Team zu haben, geantwortet: „Spieler, die mir keine Probleme machen, kann ich nicht gebrauchen, die machen dem Gegner ja auch keine!“ Es geht darum, eine Betrachtungsweise in einen neuen Rahmen oder in einen anderen Kontext zu setzen. Im Verlauf der weiteren Kommunikation, kann es zu Prüfung von Änderungsmotiven kommen. Es lohnt sich vertiefend in das Refraiming einzusteigen und zu lernen, in welchen Augenblicken die Anwendung sinnvoll sein kann.
Dieses Zitat bringe ich in Einklang mit dem Anfängergeist:
"In the beginner‘s mind there are many possibilities, in the expert‘ s mind there are few."
Es kommt der Perspektive eines Kindes sehr nah, ganz vorurteilsfrei und ohne Erwartungen, dafür voller Neugier und Offenheit.

Schon sehr lange in meinem Leben begleitet mich der Begriff der Resilienz. Zusammengefasst geht es bei Resilienz um die Wiederstandfähigkeit, darum Krisen zu überstehen und bestenfalls daran zu wachsen. In meiner Erfahrung, klappt dies, wenn man sich auf sich konzentriert. Dazu passend sind die 7 Säulen der Resilienz: Optimismus, Akzeptanz, Lösungsorientierung, Opferrolle verlassen, Verantwortung übernehmen, Zukunftsplanung und Netzwerkorientierung. Desto mehr Eigenschaften ein Mensch aus diesen 7 Säulen sich aneignet, desto resilienter ist er. Und das positive ist: Ja, Resilienz kann man lernen :-)
Zum Thema Selbstwert gehört auch die Körpersprache und Haltung. Ein aufrechter Rücken sowie Kopf, gerade und entspannte Schulter sind nicht nur gesund, sondern beeinflussen das Selbstbewusstsein und die Zufriedenheit. Dies ist wieder ein Indiz dafür, dass Körper und Geist zusammenhängen. Außerdem wirken wir durch eine aufrechte gesunde Haltung nach außen sympathischer und offener. Es gibt viele Anleitungen im Internet, wie man seine Haltung trainieren kann. Ich selbst finde folgende bildliche Übung sehr hilfreich, mich in Position zu bringen:
"Spiele König*in und setz dir eine Krone auf."

Sich selbst zu motivieren, eigenes Handeln steuern, zu wissen, was man will - ist auch davon abhängig wie gut wir uns kennen. Das Persönlichkeits-System-Interaktionsmodell (PSI) von Julius Kuhl besagt, dass unsere Handlungssteuerung durch die Interaktion vier zentraler Gehirnsysteme erfolgt: Handlungsplanung (Intention), Zielbildung und Erfahrungsverwertung (Extension), Ergebniskontrolle (Objekterkennung), Handlungsausführung (Intuitive Verhaltenssteuerung). Es geht dabei u.a. um die Affektregulierung, sodass die Handlungssteuerung in die eigene Hand genommen wird. Ein negatives Gefühl können wir z. B. herab regulieren, in dem wir Zugang zu unseren Ressourcen haben, die z. B. aus der Erfahrungsverwertung stammen. Ebenso kann die Erinnerung an positiven Gefühlen und Erfahrungen eine intrinsische Motivation auslösen.
Im letzten Seminar wurde uns kurz von der NAIKAN-Methode berichtet. Ich habe mich dazu ein wenig belesen und bin beeindruckt, dass diese Meditationsform aus Japan in der Justizvollzugsanstalt strafmildernd eingesetzt wird. Die NAIKAN-Methode wird als Schweigeseminar eingesetzt und setzt sich im Wesentlichen mit folgenden drei Fragen auseinander:
- Was habe ich gegeben?
- Was habe ich bekommen?
- Welche Schwierigkeiten habe ich gemacht?
Es ist ein stiller Weg zu Selbsterkenntnis, um das eigene Leben neu zu bewerten. Man kann diese Methode auch bei der Konfliktbewältigung nutzen.
Und weil Self Care - Wellbeing - Mental Health - Mindfullness ganz große Worte sind, möchte ich gern mit diesem wunderbaren Zitat von Astrid Lindren diesen Beitrag vollenden:
